Meine Kundinnen und Kunden pflegen alle einen kollegialen, oftmals freundschaftlichen, Führungsstil. Und dennoch werde ich sowohl von den Selbstständigen als auch deren Mitarbeitenden häufig auf Probleme angesprochen, die klar im Zusammenhang mit dieser Art der Mitarbeiterführung stehen. Sei es, dass Selbstständige sich wundern, warum ihre Mitarbeitenden nicht genauso wie sie selbst dafür brennen, eigenverantwortlich zu arbeiten und zu handeln. Sei es, dass die Kommunikation nicht funktioniert, im Sinne von: „Wie schaffe ich es, dass das, was ich sage, bei meinen Mitarbeitenden auch so ankommt, wie ich es meine?“
Spreche ich mit den Mitarbeitenden, ohne Chefin oder Chef, bekomme ich häufig zu hören: „Wir wünschen uns mehr Führung“ oder „Wir wollen nicht bis ins Detail in jede (strategische oder unternehmerische) Entscheidung mit einbezogen werden. Wenn wir das gewollt hätten, hätten wir uns selbstständig gemacht oder wären Führungskraft geworden!“
Mit meinem heutigen Blog-Beitrag möchte ich diesen Fragestellungen auf den Grund gehen und gleichzeitig überlegen, was gerade für kleine Unternehmen und Selbstständige mit wenigen Mitarbeitenden ein guter Ansatz für die Zukunft sein kann.
Was genau heißt kollegiale Führung?
Aus meiner Sicht lehnt sich der kollegiale Führungsstil stark an das Modell der Partizipativen Führung an. Mitarbeiter/innen werden in Entscheidungen mit eingebunden und es besteht ein Mitspracherecht. Führungskräfte entscheiden nicht alleine von oben herab, sondern fragen das Team nach Vorschlägen, Ideen, Meinungen oder auch Kritik. Der Entscheidungsprozess wird gemeinsam gestaltet, die letzte Entscheidung triffst aber immer Du, als Vorgesetzte/r – unter Berücksichtigung der Anregungen und Perspektiven Deiner Mitarbeitenden.
Was sind die Vor- und Nachteile des kollegialen Führungsstils?
Die Wirksamkeit der kollegialen Führung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier sind einige Überlegungen, die Du berücksichtigen solltest:
Vorteile des kollegialen Führungsstils:
- Teammotivation: Kollegiale Führung kann die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden steigern, da sie sich gehört und wertgeschätzt fühlen, wenn sie an Entscheidungsprozessen beteiligt sind.
- Kreativität und Innovation: Mitarbeitende, die in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, können oft kreative Ideen und innovative Lösungen beitragen, da sie unterschiedliche Perspektiven und
Fachkenntnisse einbringen. - Teamarbeit und Zusammenhalt: Der kollegiale Ansatz fördert oft eine Atmosphäre der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts, was zu einem stärkeren Teamzusammenhalt führen kann.
- Anpassungsfähigkeit: In sich schnell verändernden Umgebungen kann die gemeinsame Entscheidungsfindung dazu beitragen, schneller auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Nachteile des kollegialen Führungsstils:
- Langsamere Entscheidungsprozesse: Da Entscheidungen in der Regel in Gruppen getroffen werden, kann dies zu längeren Entscheidungsprozessen führen, was in Situationen, die schnelle Maßnahmen erfordern, problematisch sein kann.
- Fehlende klare Verantwortlichkeit: In einer kollegialen Umgebung kann die Verteilung der Verantwortlichkeit unklar sein, was zu Verwirrung und Unklarheiten führen kann.
- Ineffizienz: Wenn nicht gut gemanagt, kann der kollegiale Ansatz zu Überkonsens führen und möglicherweise wichtige, aber kontroverse Entscheidungen verzögern..
Auch bei einem kollegialen Führungsstil wünschen sich Mitarbeitende Führung! Warum?
Selbst in einem kollegialen Führungsstil wünschen sich Mitarbeitende aus verschiedenen Gründen nach wie vor Führung:
- Orientierung und Klarheit: Mitarbeitende benötigen klare Ziele, Richtlinien und Erwartungen, um ihre Arbeit effektiv erledigen zu können. Führungskräfte können dabei helfen, diese Ziele zu definieren und sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden verstehen, was von ihnen erwartet wird.
- Unterstützung und Entwicklung: Führungskräfte können die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden fördern, indem sie Feedback und Schulung und kollegiale Beratung anbieten. Dies kann dazu beitragen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeitenden zu verbessern.
- Konfliktlösung: Konflikte können in jedem Team auftreten, und Führungskräfte sind oft notwendig, um bei der Lösung von Konflikten zu helfen und ein harmonisches Arbeitsumfeld aufrechtzuerhalten.
- Ressourcenmanagement: Führungskräfte sind oft verantwortlich für die Zuweisung von Ressourcen, die Planung und Überwachung von Projekten sowie die Sicherstellung, dass die Mitarbeitenden die notwendigen Werkzeuge und Unterstützung haben, um ihre Aufgaben zu erledigen.
- Sicherheitsbedürfnis: Es gibt eine Vielzahl von Mitarbeitenden, die ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben. Sie fühlen sich durch die Einbindung in Entscheidungsprozesse daher einfach überfordert.
- Entscheidungsfindung: In kollegialen Führungsstrukturen werden Entscheidungen oft gemeinsam getroffen, aber es ist dennoch wichtig, dass jemand die Verantwortung für die endgültige Entscheidung übernimmt. Dies schafft Klarheit und Verantwortlichkeit.
- Verbindung und Zusammenhalt: Führungskräfte können dazu beitragen, ein Gefühl von Zusammenhalt und Teamarbeit zu fördern, indem sie die Teammitglieder motivieren und inspirieren.
- Krisenmanagement: In schwierigen Situationen oder Krisenlagen ist eine klare Führung unerlässlich, um das Team zu leiten und Maßnahmen zu ergreifen, um Probleme zu bewältigen.
Warum funktioniert die bisherige Form der Mitarbeiterführung zukünftig nicht mehr?
Eine Vielzahl von Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren zum Teil extrem schnell verändert, was auch dazu führt, dass Führung neu gedacht werden muss. Hierzu gehören:
- Veränderung der Arbeitswelt: Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten erheblich verändert. Viele Unternehmen sind globaler und digitaler geworden, was zu neuen Anforderungen an die Mitarbeiterführung führt. Die traditionelle Hierarchie und die Befehls- und Kontrollstruktur passen möglicherweise nicht mehr zu dieser veränderten Arbeitsumgebung.
- Generationenwechsel: Die jüngeren Generationen, insbesondere die sogenannten Millennials und die Generation Z, haben oft andere Erwartungen an ihre Arbeit und ihre Vorgesetzten. Sie schätzen stärkere Partizipation, Feedback und Sinnstiftung in ihrer Arbeit. Dies erfordert eine Anpassung der Führungspraktiken.
- Wissensarbeit und Kreativität: In vielen Branchen und Unternehmen ist die Wissensarbeit und die kreative Problemlösung wichtiger geworden. Dies erfordert eine Führung, die die individuellen Fähigkeiten und Ideen der Mitarbeiter fördert, anstatt ihnen einfach Anweisungen zu geben.
- Agilität und Veränderungsbereitschaft: In einer sich schnell verändernden Geschäftsumgebung ist die Fähigkeit zur Anpassung und Flexibilität entscheidend. Traditionelle hierarchische Strukturen können hinderlich sein, wenn es darum geht, schnell auf Veränderungen zu reagieren.
- Diversity und Inklusion: Die Vielfalt der Mitarbeiter in Bezug auf Geschlecht, Alter, Kultur und Hintergrund erfordert eine sensiblere und inklusivere Form der Führung, die die unterschiedlichen Perspektiven und Fähigkeiten der Mitarbeiter berücksichtigt.
- Technologie und Automatisierung: Die Automatisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz verändern die Art und Weise, wie Arbeit erledigt wird. Dies kann bedeuten, dass bestimmte Aufgaben von Maschinen erledigt werden, während menschliche Mitarbeiter auf komplexere Aufgaben ausgerichtet sind. Auch dies erfordert eine Neuausrichtung der Mitarbeiterführung.
In Anbetracht dieser Veränderungen ist es wichtig, dass Führungskräfte ihre Ansätze zur Mitarbeiterführung überdenken und anpassen, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. Moderne Führungskonzepte betonen oft die Bedeutung von Empowerment, Coaching, Zusammenarbeit und kontinuierlichem Feedback, um Mitarbeiter zu motivieren, zu entwickeln und in einer sich verändernden Welt erfolgreich zu sein.
Welcher Führungsstil bringt Dich zukünftig also voran?
Aus meiner Sicht bringt Bodo Janssen es in seinem neuen Buch mit dieser Feststellung auf den Punkt:
Die neue Art der Führung ist mehr eine Frage der Haltung als eine Methode!
Es geht im Hinblick auf die Führung von Mitarbeitenden nicht mehr um Deinen persönlichen Führungsstil oder darum, an welchen, in der Fachliteratur beschriebenen, Führungsstil Du Dich anlehnst. Es geht auch nicht um allgemeingültige Führungsmethoden, sondern es geht einzig und alleine um die Antwort auf die Frage: Wie werde ich allen Menschen in meinem Team oder in meinem Unternehmen gerecht?
Die Funktion der Führungskräfte der Zukunft wird also nicht mehr darin bestehen, die Messlatte für die Leistung ihrer Mitarbeitenden ständig höher zu hängen. Vielmehr wird es darum gehen, als Führungskraft dafür zu sorgen, dass die Menschlichkeit im Mittelpunkt steht und Führungskräfte dafür da sind, ihre Mitarbeitenden zu unterstützen und sie zu fördern. Es soll nicht mehr darum gehen, Aufgaben zu delegieren und Gehorsam zu erwarten, sondern um konstruktive und gewinnbringende Zusammenarbeit, die das gesamte Team zu Bestleistungen anspornt.
Deine Aufgabe als Führungskraft besteht zukünftig darin, den Einzelnen im Team und das Team an sich zu stärken. Du als Führungskraft, hilfst Deinen Mitarbeitenden dabei, sich ihrer Persönlichkeit bewusst zu werden, um sie dann entsprechend ihrer Stärken und Fähigkeiten, im Unternehmen, im Team, in einem speziellen Bereich oder einem Projekt einzusetzen. Es geht darum, dass Du es schaffst, Deine Mitarbeitenden so zu stärken und zu ermutigen, dass sie sich den Herausforderungen stellen, statt sich zu verstecken. Du zeigst den Mitarbeitenden, was Du kannst, aber besonders auch, was sie können. Themen, bei denen es nicht erforderlich ist, dass Du als Führungskraft sie bearbeitest, sind nach einer entsprechenden Entwicklung und Schulung bei Deinen Mitarbeitenden besser aufgehoben. Durch diese Aufgabendelegation werden Deine persönlichen Kenntnisse zu langfristigem Organisationswissen (und stellen somit auch sicher, dass „der Laden läuft“, wenn Du kurzfristig oder unvorhergesehen ausfällst :-)).
Jeder Mensch ist anders, die Zeiten ändern sich, und es ergeben sich Chancen, aber auch Herausforderungen für Dich. Oft entwickelt sich ein Führungsstil im Laufe der Zeit. Unabhängig davon, ob Du eine erfahrene oder erstmalige Führungskraft ist, es ist nie zu spät, neue Fähigkeiten oder Methoden zu erlernen! Eine bessere Führungskraft zu werden, ist ein Lernprozess, der ein Leben lang andauern kann.
Wer seine Mitarbeitenden zukünftig erfolgreich führen will, beginnt erst einmal, sich selbst und seine Art der Führung zu hinterfragen. Sehr zielführend finde ich die Fragen, die Bodo Janssen in seinem neuen Buch aufgeworfen hat:
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Denk mal darüber nach!
Fazit: Auch in kleinen Unternehmen ist die Führung im Wandel – finde die für Dich und Dein Team richtige Art der Führung
Wenn es um das Thema Mitarbeiterführung geht, gab es noch nie nur einen richtigen Ansatz. Führung entwickelt sich mit der Zeit, mit der Gesellschaft und mit den Wünschen der Mitarbeitenden und Unternehmen. Je agiler, digitaler und schnelllebiger unsere Welt wird, desto flexibler musst auch Du als Selbstständige/r oder Inhaber/in eines kleinen Unternehmens werden, um mit der Konkurrenz mithalten und sich von ihr abheben zu können.
Immer mehr junge Unternehmen setzen von Beginn an auf agile Konzepte, die besonders flexible Führungsmethoden erfordern. Aber auch immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen, die bisher mit klassischen Führungskonzepten gearbeitet haben, setzen auf agile Prozesse. Nicht umsonst sind Ansätze wie SCRUM in den letzten Jahren so beliebt geworden. Die kommenden Jahre werden in Bezug auf die Führungsentwicklung sicherlich spannend. Wie schaffen Unternehmen den Wechsel von klassischen Hierarchien auf flexiblere Führungsmethoden, in denen kaum noch Hierarchien existieren? Wie meistern sie die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt? Und wie reagieren sie auf die Anforderungen neuer Generationen, die in den Arbeitsmarkt eintreten? Wir dürfen sicherlich einige Veränderungen erwarten, die vor allem auf mehr Flexibilität abziele.
Für Unternehmen, die diese Ansätze bereits verfolgen, entsteht ein großer Wettbewerbsvorteil – sie sind beliebte Arbeitgeber und profitieren von höchster Motivation, Innovation und Produktivität.
Liebe Heike,
Ich habe deinen Artikel sehr gerne gelesen und hoffe, dass viele Führungskräfte deinen Artikel lesen werden und den Inhalt anwenden. Das Thema ist So so wichtig und so aktuelle. Danke!!!
Vielen Dank, liebe Julia. Ich hoffe auch, dass bei vielen ein Umdenken stattfinden wird. Denn wie schreibt Bodo Janssen in seinem neuen Buch so schön: Wir haben keinen Fachkräftemangel – und das in der Hotellerie! Tja, wer die richtige Führungs- und Unternehmenskultur hat, wird auch in Zukunft gut aufgestellt sein.