Krankheit, Unfall oder sogar der plötzliche Tod – niemand denkt gern an solche Szenarien. Doch was passiert, wenn Du als Selbstständige:r plötzlich für längere Zeit ausfällst, nicht ansprechbar bist oder gar verstirbst?
Gerade in solchen Ausnahmesituationen müssen viele Entscheidungen getroffen werden. Wer kümmert sich um Deine Aufträge? Wer bezahlt Rechnungen und ggf. Dein Team? Und wer hat überhaupt die rechtliche Befugnis, Dich zu vertreten?
Für Angehörige, Geschäftspartner oder Mitarbeitende ist es in einer solchen Lage oft schwer, einen klaren Kopf zu behalten. Umso wichtiger ist es, dass Du vorsorgst – und schon heute an morgen denkst.
Ein gut durchdachter Notfallordner kann in genau solchen Momenten zum Rettungsanker werden. Ob als klassischer Aktenordner oder in digitaler Form – entscheidend ist, dass alle wichtigen Informationen schnell auffindbar sind und eine Vertrauensperson weiß, wo sie diese wichtigen Informationen findet.
Warum ein Notfallordner für Selbstständige unverzichtbar ist
Du bist selbstständig und führst Dein Business mit Leidenschaft?
Deine Kundschaft verlässt sich auf Dich, Du hast viele Aufträge und dadurch auch gute Umsätze – alles scheint geregelt. Doch dann passiert das Undenkbare: Ein Unfall, eine plötzliche Krankheit oder ein anderer Notfall reißt Dich unerwartet aus dem Alltag. Von heute auf morgen bist Du nicht mehr erreichbar – für Kund:innen, Geschäftspartner:innen und vielleicht sogar für Deine Familie.
Was passiert jetzt? Wer informiert Deine Kundschaft? Wer sorgt dafür, dass laufende Projekte nicht einfach ins Leere laufen? Wer hat Zugriff auf wichtige Dokumente oder Konten, um Rechnungen zu bezahlen und Mahnungen zu vermeiden?
Viele Selbstständige gehen davon aus, dass „schon irgendwie alles weiterläuft“. Doch die Realität zeigt: Ohne klare Regelungen und vorbereitete Unterlagen kann eine solche Situation schnell existenzbedrohend werden – sowohl für Dein Business als auch für Deine Familie.
Welche Risiken gibt es – und welche Folgen drohen?
Wahrscheinlich geht es Dir bisher wie vielen Selbstständigen? Du würdest erst über einen Notfallplan nachdenken, wenn es fast zu spät ist.
Das genau ist einem meiner Kunden passiert, der gerade seinen persönlichen Albtraum durchlebt:
Er hat eine Vielzahl von unternehmerischen Aufgaben und Entscheidungen an seine Mitarbeiterin übertragen und ihr diesbezüglich komplett vertraut. Das Vertrauen ging so weit, dass er sich selbst auf seine fachliche Expertise konzentriert hat, also auf das, was er am besten kann und am liebsten tut. Leider kam es in dem Arbeitsverhältnis zu Unstimmigkeiten, die dazu geführt haben, das sie nun ein vergleichbares Business aufzieht, seine Kund:innen dazu bringt, zu ihr zu wechseln, sich selbst die Markenrechte an seinem Firmennamen im letzten Jahr gesichert hat und Passwörter geändert hat, sodass er keinen Zugriff mehr auf wichtige Kanäle hat – nur um einige der dramatischen Folgen zu nennen.
Doch es gibt zahlreiche weitere Situationen, die Dein Business unerwartet ins Wanken bringen können:
- Krankheit oder Unfall: Ein gebrochener Arm kann reichen, um Deinen Arbeitsalltag erheblich einzuschränken – ganz zu schweigen von längeren Krankenhausaufenthalten oder Reha-Maßnahmen.
- Technische oder digitale Ausfälle: Stell Dir vor, Dein Laptop gibt den Geist auf oder Du wirst Opfer eines Hackerangriffs – hast Du Zugriff auf Deine wichtigsten Daten?
- Plötzliche Abwesenheit: Vielleicht musst Du kurzfristig für ein Familienmitglied da sein oder wirst unverschuldet in einen Rechtsstreit verwickelt, der viel Zeit in Anspruch nimmt.
- Schlimmster Fall: Todesfall: Was passiert mit Deinem Unternehmen, wenn Du plötzlich verstirbst? Können Deine Angehörigen auf wichtige Informationen zugreifen oder stehen sie vor einem Chaos aus offenen Rechnungen, Verträgen und unklaren Verantwortlichkeiten?
Ohne Vorsorge kann es zu gravierenden Folgen kommen:
- Kundenaufträge bleiben liegen, was langfristig das Vertrauen schädigt.
- Rechnungen werden nicht beglichen, Mahnungen und finanzielle Engpässe drohen.
- Angehörige, Mitarbeitende oder Geschäftspartner:innen stehen vor rechtlichen und organisatorischen Hürden.
- Dein Unternehmen könnte handlungsunfähig werden – und schlimmstenfalls ganz aufgeben müssen.
Die gute Nachricht: Mit einem gut vorbereiteten Notfallordner kannst Du diese Risiken erheblich minimieren. Wie Du ihn aufbaust, erfährst Du im nächsten Abschnitt.
Die wichtigsten Bestandteile Deines unternehmerischen Notfallordners
Welche Bestandteile Dein Notfallordner beinhalten sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Bist Du solo-selbstständig oder hast Du Mitarbeitende?
- Welche Unternehmensform hast Du (Einzelunternehmen, Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft)?
- Gibt es Mit-Gesellschafter, die eingebunden werden müssen?
- Arbeitest Du mit externen Dienstleistern zusammen (z. B. Buchhaltung, IT-Support, virtuelle Assistenz)? Denn dann brauchst Du klare Regelungen, wie diese weiterarbeiten oder wer sie im Notfall koordiniert.
- Gibt es laufende Verträge oder finanzielle Verpflichtungen (z. B. Leasingverträge, Büroräume, Kredite), die geregelt werden müssen?
All diese Aspekte beeinflussen, welche Informationen, Vollmachten und Zugänge in Deinem Notfallordner nicht fehlen dürfen.
Grundlegende Regelungen, die Du treffen solltest
- Wer ist im Notfall zu informieren? (betrieblich und familiär)
- Maßnahmen für die kontinuierliche Weiterführung Deines Unternehmens
- Wer übernimmt (oder hat schon) die Verantwortung für wichtige betriebliche Abläufe?
- Gibt es (im schlimmsten Fall) jemanden, der Deine Unternehmensnachfolge antreten soll?
Wer hat Vollmachten?
- Wer hat Bankvollmacht? (Bei Solo-Selbstständigen bitte unbedingt daran denken, schon zu Zeiten, in denen es Dir gut geht, einer weiteren Person, z. B. Ehepartner, eine Bankvollmacht für Dein Firmenkonto zu erteilen).
- Postvollmachten
- gesetzliche Vollmachten (wie z.B. Regelung zur Prokura, Handlungsvollmacht, usw.)
- Vollmachten über den Tod hinaus
- private (Vorsorge-)Vollmachten
- Patientenverfügung
Wichtig ist, dass Du durch geeignete Verträge festlegst, wann und in welchem Umfang Deine Bevollmächtigten die Möglichkeit haben, ihre Vollmacht auszuüben!
Bankunterlagen und Finanzen
Hierzu gehören solche Themen wie:
- Geschäftskonten
- Bankschließfächer
- Kreditverträge
- Darlehen
- Bürgschaften
- Wertpapiere
- Betriebliche Zahlungsverpflichtungen (Daueraufträge, Lastschrifteinzüge, z.B. Miete, Leasinggebühren etc.)
- Immobilienfinanzierung
Es ist sicher hilfreich, wenn Du ebenfalls notierst, wer Deine Ansprechpartner/Berater bei der Bank sind, damit direkt ersichtlich ist, mit wem Deine Vertretung oder Deine Vertrauensperson Kontakt aufnehmen muss.
Übersicht über Deine Versicherungen
Für welche Bereiche hast Du betriebliche und/oder private Versicherungen abgeschlossen?
- Betriebshaftpflicht
- Privathaftpflicht
- Unfallversicherung
- Gebäudeversicherung
- Lebensversicherung
- Berufsunfähigkeit
- …
Verträge und Urkunden
Hierzu gehören solche Unterlagen wie:
- Mietverträge
- Pachtverträge
- Leasingverträge
- (Software-) Lizenzen
- Grundbuchauszüge (wenn Grundstücke und Immobilien zum Betriebsvermögen zählen)
- Gewerbliche Schutzrechte, Patent- oder Markenrechte, ggf. auch Rezepturen
- Testament, Erbvertrag
- Ehevertrag
- …
Für Personen- oder Kapitalgesellschaften kommen noch weitere wichtige Dokumente dazu:
- Gesellschafterverträge und Vertretungsvollmachten
- Handelsregisterauszüge
- Weitere wichtige Unterlagen und Verträge
Betriebliche Daten - das Herzstück Deines Unternehmens
Hier geht es um den Kern oder die Substanz Deines Unternehmens:
- Wichtige Kunden
- Wichtige Lieferanten
- Aufträge und Kalkulationen
- Übersicht Anlagevermögen (Fahrzeuge, Maschinen, Immobilien, …)
- Übersicht anhängiger Rechtsstreitigkeiten
- Kontaktdaten Deines Steuerbüros incl. Ansprechpartner:in
- Kontaktdaten der Rechtsanwaltskanzlei Deines Vertrauens incl. Ansprechpartner:in
- Betriebliche Mitgliedschaften
- Aktuelle betriebswirtschaftliche Analyse/Bilanz
- Steuerbescheide der letzten 3 Jahre
- Vermögensübersicht
Zugangsdaten - der Schlüssel zu Deinem Business
Ob physisch oder digital – ohne die richtigen Zugangsdaten kann im Notfall nichts mehr gesteuert werden. Diese sichern den Zugriff auf Geschäftskonten, IT-Systeme, wichtige Dokumente und sogar Betriebsräume. Hierzu gehören:
- Schlüssel: Betrieb, Bankschließfach, Tresor sowie ein Verzeichnis: Wer hat Schlüssel und wo können diese im Notfall nachgemacht werden?
- Passwörter: zu allen möglichen betrieblichen Online-Konten (Amazon, Telefonanbieter, alle Social-Media-Konten, …)
- PINs
- TANs
- Geheimzahlen: EC und Kreditkarte
- Codes: Tresor, Alarmanlage, …
Fehlen diese Informationen oder sind sie nicht zugänglich, kann Dein Unternehmen schnell handlungsunfähig werden. Deshalb solltest Du eine gut strukturierte Übersicht aller relevanten Zugangsdaten an einem sicheren Ort hinterlegen – und dafür sorgen, dass eine vertrauenswürdige Person im Ernstfall darauf zugreifen kann.
Ich empfehle Dir zudem, Deine Passwörter mit einem Passwort-Manager zu verwalten, z.B. mit Keepass. Weitere Informationen zu diesem Thema findest Du auch hier.
Erste Schritte zur Erstellung eines individuellen Notfallplans
Die Erstellung eines Notfallordners mag zunächst aufwendig erscheinen, doch mit einem klaren Plan kannst Du Schritt für Schritt vorgehen:
- Bestandsaufnahme: Welche Bereiche Deines Unternehmens sind besonders sensibel? Wo fehlen aktuell klare Regelungen?
- Dokumente und Vollmachten prüfen: Sind alle wichtigen Verträge, Vollmachten und Versicherungen vorhanden und aktuell? Falls nicht, solltest Du sie erstellen oder anpassen.
- Zugangsdaten sichern: Erstelle eine verschlüsselte Liste oder nutze einen Passwort-Manager, um alle Zugangsdaten sicher zu speichern.
- Verantwortliche Personen benennen: Wer soll im Notfall handeln können? Kläre dies frühzeitig mit Deiner Vertrauensperson.
- Den Notfallordner zusammenstellen: Ob digital oder physisch – lege alle wichtigen Unterlagen an einem sicheren, aber zugänglichen Ort ab.
- Regelmäßige Aktualisierung: Dein Unternehmen entwickelt sich weiter – daher solltest Du Deinen Notfallordner mindestens einmal jährlich überprüfen und anpassen.
Die Industrie- und Handelskammer Nord-Westfalen bietet auf Ihrer Website ein komplettes Handbuch als digital ausfüllbares PDF-Dokument. Dieses bietet Dir wertvolle Hilfestellung und sorgt ganz bestimmt dafür, dass Du nichts Wichtiges vergisst.
Fazit: Kleine Maßnahmen mit großer Wirkung
Niemand plant eine Krise – aber Du kannst Dein Unternehmen und Deine Angehörigen darauf vorbereiten. Ein durchdachter Notfallordner schützt nicht nur Dein Business, sondern gibt Dir und Deinem Umfeld Sicherheit. Selbst wenn Du nie in eine Notsituation gerätst, sorgt die klare Struktur für mehr Überblick und Ordnung in Deinem Unternehmen. Also: Fang am besten noch heute an!

Du brauchst Unterstützung?
Ich helfe Dir gern, einen maßgeschneiderten Notfallplan für Dein Business zu erstellen. Buche jetzt ein unverbindliches Erstgespräch!
Liebe Heike,
ein so wichtiger Artikel! Ich habe glücklicherweise das Meiste bereits gesammelt und meine Vertrauenspersonen haben darüber Kenntnis.
Nichtsdestotrotz motiviert dein Beitrag mich, mir deine Checkliste herunterzuladen und einmal abzuklopfen, ob ich nicht doch etwas vergessen habe.
Danke für den Anschuppser,
viele Grüße Gabi
Liebe Gabi,
das Du schon viele der Punkte meiner Checkliste erledigt hast, glaube ich gerne. Und vielleicht gibt es ja dennoch einige Punkte, über die Du bisher nicht nachgedacht hast. Daher freue ich mich sehr, wenn Du noch die eine oder andere Anregung findest.
Ganz liebe Grüße
Heike
Liebe Heike,
ich habe gerade vor einer Woche meine wichtigsten Unterlagen aus einer meiner Wohnungen geholt, um sie gesammelt zu haben, falls mir etwas passiert. Da dachte ich: Ich muss das mal ein wenig mehr zusammenstellen…. Dein Notfallkoffer ist klasse und ich habe ihn jetzt mal in meiner Leseliste gespeichert. Danke dafür. Wir haben als Unternehmerinnen alle Konten bei FB Insta usw. was soll damit passieren? Außerdem weiß kaum jemand, wo ich überall Abos habe: Zoom, mein Homepage-Provider, mein Newsletterprovider, Netflix, Blinkist, die TCS usw. Das sind alles Kosten, die fröhlich weiterlaufen, falls mir was passiert und wer soll das alles wissen. Ich werde mich also mal hinsetzen und das alles zusammensuchen. Danke dir. Grüße Eva
Liebe Heike
Du hast recht, oft ist dies ein Thema, das viele, inkl. mir, vernachlässigen.
Mit deinem praktischen Notfallkoffer und der ausführlichen PDF-Liste gibst du mir eine wertvolle Hilfe und machst es mir leicht, mich darum zu kümmern.
Vielen Dank für die hilfreichen Anregungen.
Liebe Grüsse
Esther