Als Solo-Selbstständige:r trägst Du viele Hüte gleichzeitig. Du bist nicht nur für die eigentliche Arbeit zuständig, sondern auch für Buchhaltung, Marketing, Kundenservice und vieles mehr. Diese Vielfalt an Aufgaben kann zunächst als Vorteil erscheinen, da Du die volle Kontrolle über Dein Unternehmen behältst. Klar, bisher bist Du es gewohnt, allein die Verantwortung zu tragen und die Fäden Deines Unternehmens in der Hand zu halten. Doch mit zunehmendem Erfolg und Wachstum stoßen auch die besten Einzelkämpfer:innen an ihre Grenzen. Die Zeit wird knapp, die Qualität leidet, und Du fragst Dich vielleicht, wie lange Du dieses Pensum noch durchhalten kannst.
„Ab wann rechnet sich eine Mitarbeiterin?“ war u.a. eine Frage, die beim Unternehmer FreiRaum-Treffen, das letzte Woche stattfand, gestellt wurde. Melissa hat diese Frage eingebracht und meine erste Antwort lautete:
„Dann, wenn Du Zeichen für Wachstum erkennst und die klare Entscheidung getroffen hast, wachsen zu wollen!“
Der erste Schritt zur Entscheidung für Mitarbeiter:innen ist das Erkennen der Zeichen für Wachstum in Deinem Unternehmen. Vielleicht hast Du bereits mehr Aufträge, als Du allein bewältigen kannst, oder Du musst regelmäßig Überstunden machen, um Deadlines einzuhalten. Vielleicht erkennst Du auch, dass Du bestimmte Bereiche und Themen vernachlässigst, weil Dir schlichtweg die Zeit fehlt. Diese Anzeichen signalisieren, dass Dein Unternehmen bereit für die nächste Stufe ist.
Aus vielen Gesprächen mit meinen Kundinnen und Kunden weiß ich, dass die Überlegung, Mitarbeiter:innen einzustellen, eine bedeutende unternehmerische Entscheidung darstellt. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Und wie kannst Du herausfinden, ob sich die Einstellung von Mitarbeiter:innen lohnt? Und ich meine an dieser Stelle nicht nur finanziell lohnt, sondern auch im Hinblick auf eine Vielzahl von weiteren Themen, die ich mit dem heutigen Beitrag gerne für Dich beleuchten möchte.
Grundsätzliche Offenheit und Bereitschaft, Menschen zu entwickeln
Für mich steht ganz klar an erster Stelle, dass Du als Selbstständige:r Menschen magst. Die Bereitschaft, sich um Andere zu kümmern, sie zu unterstützen und sie für Deine Vision zu begeistern, ist aus meiner Sicht von grundlegender Bedeutung, wenn Du Dich dafür entscheidest, Mitarbeiter:innen einzustellen.
Als Selbstständige:r prägst Du Deine Unternehmenskultur maßgeblich. Durch Deine Einstellung gegenüber den Mitarbeiter:innen zeigst Du, wie wichtig Dir deren Wohlbefinden und Entwicklung ist. Es ist Deine Aufgabe eine Kultur des Respekts, der Unterstützung und der Begeisterung für die gemeinsame Vision zu schaffen, die dazu beiträgt, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, das Deine Mitarbeiter:innen motiviert und bindet.
Indem Du Dein Team für Deine Vision begeisterst und sie aktiv in die Unternehmensziele einbindest, steigerst Du deren Motivation und Engagement. Es geht darum, dass Du Teammitglieder hast, die sich mit der Vision und den Zielen Deines Unternehmens identifizieren. Dann sind sie bereit, sich voll einzubringen und ihr Bestes zu geben.
Deine persönlichen sozialen Kompetenzen
Häufig erlebe ich in Unternehmen, dass Mitarbeiter:innen, die hervorragende Fachkräfte sind, zu Führungskräften befördert werden und dort (zunächst) kläglich scheitern. Denn jetzt sind nicht mehr (nur) fachliche Kompetenzen gefragt, sondern es geht um Deine sozialen Kompetenzen, auf Neudeutsch: Deine Softskills. Ein aus meiner Perspektive oft unterschätztes Thema, gerade wenn Selbstständige plötzlich Chef oder Chefin sind. Viele Selbstständige sind sich nicht darüber im Klaren, was dies neben der finanziellen Investition sonst noch bedeutet. Es geht darum,
- Zeit zu investieren, um Dein neues Teammitglied einzuarbeiten und regelmäßig mit ihm im Austausch zu stehen,
- bereit zu sein, an sich selbst zu arbeiten und sich mit den Methoden der Mitarbeiterführung zu beschäftigen (welche Art von Chef/in willst Du denn sein?),
- sich Gedanken über die eigene Erwartungshaltung im Hinblick auf die Leistungsbereitschaft und die Identifikation seiner/s Mitarbeiter/in zu machen,
- loslassen zu können und Aufgaben, die Du bisher selbst erledigt hast, abgeben zu können.
Ehe Du jemanden einstellst, macht es Sinn, sich ein strukturiertes Programm zu überlegen, um neuen Mitarbeiter:innen einen guten Start im Unternehmen zu ermöglichen. Überlege genau, was Dir besonders wichtig ist:
- Worauf legst Du/legen Deine Kundinnen und Kunden wert?
- Wofür wirst Du und Dein Unternehmen von der Kundschaft wahrgenommen oder besonders geschätzt?
Es geht also um Deine Unternehmensrichtlinien, wichtige Arbeitsabläufe, Systeme und Prozesse, damit sich Dein neues Teammitglied gut in Dein Unternehmen einfindet.
Eine regelmäßige Kommunikation mit Deinen Mitarbeiter:innen ist entscheidend, um Erwartungen zu klären, Feedback zu geben und Probleme frühzeitig anzusprechen. Offene und transparente Kommunikation fördert ein positives Arbeitsumfeld und stärkt das Engagement Deines Teams.
Deine finanzielle Investition
Als Selbstständige:r hast Du ein berechtigtes Interesse daran, die Wirtschaftlichkeit Deiner Mitarbeiter:innen zu prüfen. Zum einen, um den Kosten-Nutzen-Faktor sichtbar zu machen und zum anderen, um auf Abweichungen in der finanziellen Planung reagieren zu können bzw. die Personalkosten bei Deiner Preiskalkulation zu berücksichtigen.
Es ist wichtig, die finanziellen Auswirkungen der Einstellung von Mitarbeiter:innen zu berücksichtigen. Daher solltest Du vorab ganz genau die finanzielle Machbarkeit überprüfen. Hier kann eine einfache Kalkulation helfen, um herauszufinden, ob sich die Investition in Mitarbeiter:innen langfristig lohnt. Die Kosten, die durch eine:n Mitarbeiter:in entstehen, lassen sich in Fixkosten und variable Kosten unterteilen.
Bei der Vielzahl an Personalkosten ist es zwingend erforderlich, die Kosten im Blick zu behalten und diese nicht ganz aus der Hand zu geben (falls Du mit einer Steuerkanzlei zusammenarbeitest). Vielmehr solltest Du Dich mit der Zusammensetzung Deiner monatlichen und jährlichen Ausgaben vertraut machen – siehe hierzu auch mein Blog-Beitrag: So verwandelst Du Deine Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) in 7 Schritten zum kostengünstigen Controlling-Instrument.
Es verleiht ein gutes Gefühl, selbst in der Lage zu sein, schnell eine Kostenübersicht zu gewinnen. Das verschafft Dir Selbstsicherheit und sorgt dafür, dass Du Deine unternehmerischen Entscheidungen nicht (einzig und alleine) aus dem Bauch heraus triffst, sondern auf fundierte Zahlen zurückgreifen kannst.
Schauen wir uns ein Beispiel aus der Praxis an:
- Angenommen, Du bist ein Webdesigner und verdienst im Durchschnitt 50 € pro Stunde. Du hast so viele Aufträge, dass Du 50 Stunden pro Woche arbeitest und trotzdem nicht alle Anfragen bedienen kannst. Ein zusätzlicher Mitarbeiter könnte Deine Arbeitslast reduzieren und ermöglichen, mehr Aufträge anzunehmen.
- Angenommen, Du kannst mit einer weiteren Person Deine Arbeitszeit um 20 Stunden pro Woche reduzieren und dafür neue Projekte annehmen. Damit hättest Du ein potenzielles zusätzliches Einkommen.
- Angenommen, Du zahlst dem neuen Mitarbeiter einen Stundenlohn von 25 €, inklusive Lohnnebenkosten.
- Dadurch ergibt sich für Dich ein Netto-Zusatzgewinn pro Woche: 1000 € (zusätzliches Einkommen) – 500 € (Kosten für Mitarbeiter*in) = 500 €
Basierend auf dieser Kalkulation könntest Du also durch die Einstellung eines Mitarbeiters einen zusätzlichen Nettogewinn von 500 € pro Woche erzielen.
Schauen wir uns ein zweites, dezidiertes Beispiel an:
- Für eine erfahrene Mitarbeiterin eines Kosmetikinstituts müsstest Du im Monat ein Brutto-Gehalt von 2.000 € zahlen.
- Berücksichtigt werden dabei 12,6 Lohnmonate, darin enthalten ist auch ein mögliches Weihnachtsgeld
- Hinzu kommt Dein Arbeitgeberanteil an den Sozialkosten mit 30 %
- Ihre jährlichen Arbeitstage betragen 221 Tage
- Durch ihre Arbeit fallen zusätzlich 12 % Materialkosten an.
Ein wichtiger Rechenschritt, damit Du meine Überlegungen nachvollziehen kannst, ist die Ermittlung der tatsächlichen Arbeitstage.
Dabei geht man von 365 Tagen pro Jahr aus, also 52 Wochen, an denen sie 5 Tage pro Woche für Dich arbeitet, demzufolge ergeben sich zunächst
52 Wochen x 5 Tage = 260 tatsächliche Arbeitstage
Das sind die Arbeitstage, die Du als Arbeitgeber:in bezahlst! Nun reduzieren wir diese Tage noch um eine durchschnittliche Zahl von 40 Tagen (Feiertage, Urlaub, Krankheit, Weiterbildung). Daraus ergibt sich folgende Rechnung:
260 – 40 = 220 Tage / 260 tatsächliche Arbeitstage x 100 = 84,62 %
Deine Angestellte leistet also im Durchschnitt 84,62 % der Arbeitszeit wirklich, für die Du sie bezahlst.
Daraus ergibt sich jetzt folgende Rechnung:
Die Differenz zwischen dem Netto-Umsatz (3.723,28 €) und Deinen Kosten (2.686,67 €) ist der Deckungsbeitrag und beläuft sich in meinem Beispiel auf ein Plus von 1.036,61 €. Solange der Deckungsbeitrag im Plus ist, erzielst Du mit Deiner Mitarbeiterin Gewinn. Ansonsten muss der Umsatz erhöht oder die Kosten gesenkt werden.
Darauf solltest Du bei Einstellungen achten
In der aktuellen Situation ist es gerade für Selbstständige enorm wichtig, effektive Strategien für die Personalsuche zu entwickeln, um qualifizierte Kandidat:innen anzuziehen. Dies kann die Nutzung von Jobbörsen, persönliche Empfehlungen, Social-Media-Plattformen oder die Zusammenarbeit mit Personalvermittlungen umfassen. Achte unbedingt bei der Auswahl der richtigen Kandidaten darauf, Dir Zeit zu lassen, um sicherzustellen, dass sie zu Dir und Deiner Unternehmenskultur passen und die erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen mitbringen.
Hier noch einige Anregungen dazu:
- Klare Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile helfen dabei, die richtigen Mitarbeiter:innen einzustellen. Daher solltest Du Dir unbedingt vorab Gedanken darüber machen, welche Aufgaben Deine zukünftigen Mitarbeiter:innen übernehmen soll und welche Qualifikationen dafür erforderlich sind.
- Ich finde es in einem Vorstellungsgespräch auch enorm wichtig herauszufinden, warum ein:e Bewerber:in bei Dir anfangen möchte. Ist ihr/seine Motivation eher „weg von….“ (wenn ja, aus welchem Grund) oder ein „hin zu…“ (auch hier finde ich es spannend herauszufinden, warum er/sie gerade bei Dir anfangen möchte).
- Ich erlebe häufig, dass Selbstständige gerne Mitarbeiter:innen beschäftigen, die Familienmitglieder sind oder aus ihrem Freundeskreis kommen. Hier braucht es unbedingt und frühzeitig Klarheit und Abgrenzung der Rollen. Denn es gibt in solchen Konstellationen immer mal wieder unschöne Situationen oder eine Ernüchterung, weil die Rollen auf beiden Seiten nicht klar geregelt sind. Es macht in jeden Fall einen Unterschied, ob man sich gerade als Freundinnen oder als Vater/Sohn, Bruder/Schwester usw. gegenübersitzt oder eben als Chef/Chefin und Mitarbeiter/Mitarbeiterin.
- Aus meiner Erfahrung ist es zudem ungemein wichtig, dass Du Deinen Bewerbern:innen aufzeigst, welche Vision Du für Dein Unternehmen hast. Wo willst Du hin und wie sieht Dein Weg aus, den Du zu gehen planst. Damit sorgst Du ebenfalls für Klarheit und gibst Deinen Bewerber:innen frühzeitig die Chance, für sich zu entscheiden, ob sie diesen Weg mit Dir mitgehen wollen oder nicht.
- Was sind Deine (Unternehmens-)Werte? Wie willst Du von außen wahrgenommen werden? Wofür stehst Du, steht Dein Unternehmen? Auch dies sind Fragen und Themen, die m.E. bereits im Vorstellungsgespräch zu Sprache kommen sollten. Denn Deine Leitwerte dienen der Unternehmensführung und dem gesamten Team als Handlungsorientierung, Verhaltensmaßstab und Entscheidungsgrundlage.
Werden die definierten Unternehmenswerte ernst genommen und gelebt, erfolgt die gesamte Ausrichtung des Unternehmens im Einklang mit den Werten („werteorientierte Unternehmensführung“), was sich in sämtlichen Handlungen widerspiegelt. Daher gleiche im Vorstellungsgespräch auch ab, welche Werte Deinen Bewerber:innen wichtig sind? Warum? Passen sie zu Deinen Werten?
Was sonst noch wichtig ist
Wenn Du als Selbstständige den Schritt gehen möchtest und Mitarbeiter:innen einstellst, solltest Du Dich mit den gesetzlichen Bestimmungen zum Thema Beschäftigung vertraut machen, einschließlich Arbeitsverträgen, Arbeitszeitgesetzen, Mindestlohnregelungen, Sozialversicherungspflicht und Steuervorschriften.
Im Hinblick auf Motivation und Mitarbeiterbindung macht es Sinn, dass Du Dir frühzeitig Maßnahmen überlegst, um die Motivation und Bindung Deiner Teammitglieder zu fördern, z. B. durch Anerkennung und Wertschätzung, Entwicklung von Karrieremöglichkeiten, flexible Arbeitszeitmodelle oder Mitarbeiterbenefits.
Und last but not least, macht es gerade in den heutigen Zeiten Sinn, auch einen Plan zur Weiterbildung und Entwicklung seiner Mitarbeiter:innen zu haben. Schaffe Möglichkeiten zur Weiterbildung und beruflichen Entwicklung, um Dein Team zu fördern, um deren Kompetenzen zu erweitern und ihre Motivation zu steigern. Dies kann durch interne Schulungen, externe Weiterbildungsmaßnahmen oder die Teilnahme an Branchenveranstaltungen erfolgen.
Fazit
Die Entscheidung Mitarbeiter:innen einzustellen, ist eine wichtige unternehmerische Weichenstellung. Wie Du meinen Ausführungen entnehmen konntest, gibt es neben dem finanziellen Aspekt eine Vielzahl von Punkten und Themen zu berücksichtigen.
Indem Du die Zeichen für Wachstum in Deinem Unternehmen erkennst und eine finanzielle Kalkulation durchführst, kannst Du den richtigen Zeitpunkt bestimmen und sicherstellen, dass sich die Investition langfristig auszahlt. Es ist ein Schritt, der nicht nur Deine Arbeitslast reduziert, sondern auch das Potenzial hat, Dein Unternehmen auf ein neues Level zu heben. Ich wünsche Dir in jedem Fall gutes Gelingen.
Liebe Heike,
danke für deinen umfassenden Artikel! Vor allem deine Beispielrechnungen haben mir die Augen geöffnet. Sollte ich jemals so umsatzstark sein, eine Person einstellen zu wollen, komme ich spätestens auf dich zurück!
Herzliche Grüße,
Gabi
Hallo liebe Gabi,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich, dass ich Dir u.a. mit meinen Rechenbeispielen einige Impulse geben konnte. Freue mich, wenn Du auf mich zukommst, wenn es soweit bei Dir ist 🙂
Beste Grüße Heike